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Viktor E. Frankls Vision von der zukünftigen Therapeutengeneration – Kooperation und Evolution Prof. Dr. Otmar Wiesmeyr

Der Philosoph, der Arzt, der Psychotherapeut, der Pädagoge, der Mensch (1905 - 1997)

Viktor Emil Frankl wird am 26. März 1905 im 2. Wiener Gemeindebezirk als zweiter Sohn von Gabriel und Elsa Frankl geboren. Die Kindheit beschreibt er in seinen Memoiren als wohlbehütet und liebevoll, wenngleich zeitweise von grosser Armut während und nach den Jahren des 1. Weltkrieges geprägt.

Die Frage nach dem „Sinn des Lebens“ soll sich Viktor Frankl laut seinen biographischen Skizzen (Was nicht in meinen Büchern steht, 1995) im zarten Alter von 4 Jahren gestellt haben, als ihm eines nachts bewusst wurde, dass auch er eines Tages sterben würde, und welchen Sinn denn das Leben dann gehabt hätte.

Während seiner Zeit als Gymnasiast beschäftigt er sich mit Psychologie und Philosophie, legt 1923 die Matura ab, unter anderem mit einer Abhandlung über „Die Psychologie des philosophischen Denkens“, hält
Reden an der Volkshochschule Wien, in denen er schon innovative Gedanken formuliert, wie etwa, „dass nicht wir dem Leben Fragen stellen können, sondern das Leben es sei, das uns Fragen stelle (die wir zu be- und verantworten haben)“ und unterhält als 15 Jähriger eine rege Korrespondenz mit Sigmund Freud, der 1924 Frankl ́s Beitrag „Zur mimischen Bejahung und Verneinung“ in der „Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse“ veröffentlichen lässt.

Standen in den Gründungsphasen der unterschiedlichen Psychotherapierichtungen vorwiegend Abgrenzungsfragen und die Konzentration auf Etablierung und Absicherung der eigenen Methode im Vordergrund, fördert die beruflich bedingte Zusammenarbeit von Psychotherapeuten/innen mit unterschiedlicher methodenspezifischer Ausrichtung die fachliche Auseinandersetzung und den Austausch notwendiger Informationen. Auch aufgrund ihres berufsethischen Auftrags vermögen sich Psychotherapeuten/innen in der Praxis dem Aufruf zur Zusammenarbeit, die dem Wohl der Patienten dienen soll, nicht zu entziehen. Zudem erweisen sich Teams, die die unterschiedlichen Sichtweisen als Ressource nützen können, als innovativ und kreativ. Obwohl der Ausschluss von so genannten Andersdenkenden, wie dies in der Vergangenheit praktiziert wurde, als undenkbar erscheint, bestehen noch immer Kommunikationsdefizite und fehlende Akzeptanz. Trotzdem sind deutliche Entwicklungen in Richtung Demokratisierung in der Psychotherapie erkennbar, ohne dass damit die Identität der eigenen Methode in Frage gestellt und einem verschwommenen Methodenpluralismus gehuldigt wird.

Deutliche Unterschiede bestehen in Hinblick auf grundsätzliche Ansätze und Ziele, Settingfragen, spezifische Schwerpunkte und Techniken. Die neuere Psychotherapieforschung relativiert allerdings jene Wirkungen, die ausschließlich auf die jeweilige Methode zurückgehen. So beruhe die Wirksamkeit der verschiedenen Therapieansätze mehr auf ihren gemeinsamen Elementen als auf ihren theoretischen Lehrsätzen. Die große Bedeutung der Therapiebeziehung und des Arbeitsbündnisses für das Therapieergebnis, das Prinzip „Hoffnung“, das in der Logotherapie und Existenzanalyse eine entscheidende Rolle spielt, sowie der Patient selbst, seine Persönlichkeit und die ihm und seinem Umfeld innewohnenden Selbstheilungskräfte sind weitere besonders wichtige Wirkfaktoren in der Psychotherapie, die nur teilweise methodenspezifisch verknüpft sind. Besonderheiten und Schwerpunktsetzungen bestimmter Psychotherapierichtungen, die oft auf eine lange Tradition verweisen können, stellen wertvolle Beiträge dar, da sie die große Vielfalt, Kreativität und Buntheit der Psychotherapie insgesamt dokumentieren. So hat sich die Logotherapie und Existenzanalyse insbesondere dem leidenden Menschen, dem Homo Patiens, zugewandt, der auch mit dem Schicksal Viktor Frankls in unmittelbarem Zusammenhang steht.

Anlässlich seines Eröffnungsvortrags beim ersten Weltkongress der Logotherapie 1980 in San Diego, Kalifornien sprach Viktor E. Frankl über die Zukunft der sinnzentrierten Psychotherapie. „But I do wish for the future that the cause of logotherapy be taken over and carried out by independent and inventive, innovative and creative spirits.” (Frankl, 1986, S. 271) “….logotherapy is a system open in a twofold sense inasmuch as it is open towards its own evolution as well as toward the co-operation with other schools.” ( Idem, S. 272)

Die Logotherapie und Existenzanalyse als unabhängige, schöpferische, innovative und kreative Psychotherapie weiter zu entwickeln, stellt für die sinnzentrierte Psychotherapie nach Viktor E. Frankl weiterhin eine zukunftsträchtige Perspektive dar, die Offenheit, Gesprächs- Diskussions- und Kooperationsbereitschaft mit allen anderen Psychotherapierichtungen einschließt. Um die fachliche und wissenschaftskritische Auseinandersetzung zu pflegen, bieten sich bestehende Gesprächsforen, gemeinsame Veranstaltungen und Tagungen an.

Die Kooperation mit dem Viktor Frankl Institut eröffnet sowohl den Zugang zu wissenschaftlichen Belegen und Dokumenten, die einen beeindruckenden Einblick in die Entstehung der Logotherapie und Existenzanalyse seit ihren Anfängen ermöglichen als auch die Zusammenarbeit bei wissenschaftlichen Projekten und in der Ausbildungstätigkeit vertiefen.